Kann künstliche Intelligenz die Bienen retten?

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Zwei tote Bienen liegen nebeneinander auf dem trockenen Asphalt.

Über 550 Bienenarten sind in Deutschland beheimatet – und mehr als die Hälfte davon steht laut dem BUND für Umwelt und Naturschutz auf der Roten Liste der gefährdeten Arten. Global sind die Zahlen nicht weniger kritisch. Forschende warnen vor drastischen Auswirkungen auf das gesamte ökologische Gleichgewicht. Das Karlsruher Start-up apic.ai nimmt sich diesem Problem an – mit einer künstlichen Intelligenz, die wertvolle Daten zum Erhalt der Bienen liefert.

Fehlender Lebensraum, Pestizide und Parasiten zählen zu den Hauptursachen des weltweiten Bienensterbens

Bienen benötigen nicht viel, um glücklich zu sein: Eine bunte, artenreiche Wiese genügt bereits. Doch die Verdrängung von Grünflächen und eintönige Landschaften durch intensive Landwirtschaft berauben die Bienen ihrer Nahrungsquellen und Nistplätze.

Zudem machen Pestizide, die in der konventionellen Landwirtschaft zur Schädlingsbekämpfung eingesetzt werden, auch vor den Bienen nicht halt. Sie können das Immunsystem der Bienen schwächen und ihre Orientierungsfähigkeit sowie Kommunikation beeinträchtigen. Daher kam es bereits zum Verbot einiger Pestizide und zu verschärften Zulassungsregelungen.

Zum gefährlichsten Feind der Biene zählt die Varroamilbe. Sie saugt sich an den Bienen fest und ernährt sich von ihrem Blut. Dadurch wird nicht nur das Immunsystem der Bienen geschwächt, sondern der Parasit gelangt auch in den Bienenstock. Die Milben befallen die Bienenlarven, legen ihre Eier ab und vermehren sich rasant. Ganze Bienenvölker können durch die Varroamilbe ausgelöscht werden.

Ohne Bestäubung würde ein großer Teil der weltweiten Lebensmittel entfallen

Die Folgen des Bienensterbens reichen weit über den Mangel an Honig hinaus. Bienen sind fleißige Bestäuber – und etwa 88 Prozent aller Pflanzen weltweit sind laut NABU e.V. auf Bestäubung angewiesen, um Früchte zu bilden und sich fortzupflanzen. Neben den Bienen tragen auch Hummeln, Schmetterlinge, Wespen, Fliegen und Käfer zur Bestäubung bei. Doch auch sie sind gefährdet und müssen geschützt werden. Das Insektensterben hat nicht nur Auswirkungen auf die Menschen, sondern auch auf andere Tiere. Insekten bilden unter anderem die Nahrungsgrundlage für Vögel, Fledermäuse und Kleinsäuger. Das Aussterben dieser Lebewesen würde wiederum weitere Kreise ziehen.

Größere Äpfel und mehr Kirschen durch Biodiversität

Manuelle Bestäubung wird bereits zur gezielten Züchtung von Pflanzen eingesetzt. Dabei wird Blüte für Blüte mit einem Pinsel gebürstet. Ein Obstbaum besitzt ca. 1 Millionen Blüten. Ein Bienenvolk kann pro Tag bis zu 300 Millionen Blüten bestäuben, was 300 Bäumen entspricht. Im Vergleich dazu schafft ein Mensch vielleicht gerade einmal 30 Bäume - ein enormer Unterschied. Zusätzlich führt Biodiversität die Ernte auf ein höheres Qualitätsniveau. Bestimmte Pflanzen profitieren von den unterschiedlichen Bestäubern und erzeugen durch sie einen höheren Ertrag sowie einer besseren Beschaffenheit der Früchte.

Warum künstliche Intelligenz jetzt Hoffnung schenkt

Bienen werden im Bienenstock von einer Bildverarbeitungslösung gezählt.
Ein Ausschnitt aus dem System zur Analyse der Honigbienen. © apic.ai

Rückschlüsse von der Honigbiene auf ihre Artgenossen

Was viele nicht wissen: Nur neun der weltweiten Bienenarten zählen zu den Honigbienen. In Deutschland ist davon lediglich die Westliche Honigbiene beheimatet. Imkerei hat insbesondere in Deutschland einen Trend erfahren, weshalb sich der Bestand der Honigbienen seit ein paar Jahren erholt. Warum befasst sich apic.ai also mit Honigbienen? „Wenn schon die Honigbiene keine Nahrung findet, dann hat die Wildbiene ein noch viel größeres Problem", so Katharina Schmidt, eine der Gründer:innen von apic.ai.

Mit der Honigbiene als Stellvertreterin der Forschung können Rückschlüsse auf ihre Artgenossen gezogen werden. Außerdem ist das Monitoring der Honigbienen im Bienenstock deutlich einfacher. „Wildbienen leben unter anderem in der Erde oder in Mauern, was ihre Überwachung erschwert. Aber wir arbeiten an einem speziellen System, nur für Wildbienen“, erklärt Katharina Schmidt. „Wildbienen leben nicht so lange wie Honigbienen. Das heißt, man kann ihren gesamten Lebenszyklus überwachen und daraus wertvolle Erkenntnisse ziehen.“

Forschungsstudie zeichnet IDS-Firmenstandort als guten Lebensraum für Bienen aus

Die IDS Imaging Development Systems GmbH hat sich zum Schutz unserer Umwelt einem Nachhaltigkeitskonzept mit vielen Facetten verschrieben. Teil davon bilden zwei Bienenvölker von Gründer Jürgen Hartmann und seiner Frau Ellen Hartmann sowie die insektenfreundliche Bepflanzung des Firmengrundstückes. Im Rahmen einer 13-tägigen Forschungsstudie wurde zusammen mit apic.ai sowohl der Standort der IDS als Lebensraum für Bienen bewertet als auch die Anforderungen an eingesetzte Kameras zur Datenverarbeitung ermittelt. Die Ergebnisse der Studie zeigten ein vielfältiges und hohes Pollenangebot im August in Obersulm und speziell am Firmenstandort der IDS auf. Am häufigsten wurden Pollen von Löwenzahn und Astern gesammelt, die aufgrund ihres hohen Nährstoffgehalts als bienenfreundlich gelten. Auf technischer Ebene wurden Verbesserungen in der Erkennung der Pollenfarben identifiziert, die zwischenzeitlich schon realisiert wurden.

Maßnahmen gegen das Bienensterben im Alltag

Jede Person kann durch einfache Maßnahmen einen Beitrag zum Erhalt der Biodiversität leisten. Die Aussaat von Wildblumen im eigenen Garten oder auf dem Balkon bietet Bestäubern eine vielfältigere Auswahl an Nahrungsquellen im Vergleich zu Zierpflanzen. Zusätzlich können im Sommer Wasserstellen mit Steinen zum Landen installiert werden, die insbesondere Insekten anlocken. Des Weiteren bieten Insektenhotels sichere Nistplätze für Wildbienen und andere Insekten. Diese können entweder selbst gebaut oder im Baumarkt und Gartencenter erworben werden.

Das Insektensterben ist nur eine von vielen Umweltproblemen, mit denen wir konfrontiert sind. Künstliche Intelligenz wird bereits in anderen Bereichen als Instrument für eine nachhaltigere Zukunft eingesetzt.